Liebes Amazon, ich danke dir (oder: warum ich immer noch keinen Frauenarzttermin habe)

Liebes Amazon!

Ich danke dir. Es ist wirklich Zeit, mal danke zu sagen – dir und den ganzen anderen Online-Dienstleistungsunternehmen, den limangos, Zalandos und ebays dieser Welt. Ihr seid Freunde der berufstätigen Mütter. Danke! Wenn es Euch nicht gäbe, hätte ich weder eine Waschmaschine noch neue Unterhosen oder rechtzeitig die Weihnachtsgeschenke im Haus. Dank Euch kann ich Einkäufe erledigen, Termine vereinbaren und Kontakt zu alten Freunden halten.
Denn: Ich weiß nicht, wie ich das alles sonst erledigen sollte. Seit ich Kinder habe und gleichzeitig berufstätig bin, sind ausgedehnte Telefonate und entspannte Shoppingtouren auf dem Ich-mache-mir-ein-Kreuz-im-Kalender-wenns-mal-klappt-Abstellgleis meines Lebens gelandet. Ohne dieses ganze neumodische Neulandgetöse wie Facebook, Bestellformulare oder WhatsApp führte ich ein Leben auf dem Kommunikations- und Versorgungsniveau eines chilenischen Schafhirten.

Warum das? Zum Einkaufen könnte man die Kinder doch mitnehmen. Ja, manche vielleicht. Meine nicht. Seitdem diese in der Lage waren, sich in den Stand hochzuziehen, ist keine Tiefkühltruhe und kein Nudelregal mehr vor ihnen sicher – von so einer herrlich glitzernden Kosmetiktheke voller Kajalstiftchen und Puderdöschen oder der Quengelware an der Kasse mal ganz abgesehen. Selbst so robuste Konsumstätten wie Baumärkte bieten ungeahnte Möglichkeiten des elterlichen Nervenkriegs: Schraubenregale können umsortiert und Sägeblätter auf ihre Schärfe getestet werden. (Seitdem beide Kinder 3 Jahre alt sind, gibt es allerdings eine wundervolle Offline-Option: das IKEA-Kinderparadies. Danke an dieser Stelle auch an IKEA! Könnt Ihr noch eine Frischetheke einrichten? Dann komm ich jeden Samstag).

Aber wenigstens Telefonieren könnte man doch, oder, und auf diesem Wege die geschäftliche und zwischenmenschliche Kommunikation aufrecht erhalten? Nochmals nein! Ich sage Euch: es geht nicht. Wenn man tatsächlich einmal ein Zeitfenster von fünf Minuten ergattert hat und der Anschluss beidseits frei ist, brüllt garantiert immer irgendein Minderjähriger im Hintergrund herum, fällt lautstark vom Stuhl, leert die 1-Kubikmeter-Lego-Kiste auf dem Parkettboden aus oder versucht, das Sofa mit Edding zu verzieren. (Ein dienstliches Telefonat mit unserem Finanzvorstand, das ich vor rund fünf Jahren – gezwungenermaßen inklusive jammerndem Baby auf der Hüfte – führen musste, hat mich bis heute traumatisiert. Ihn vermutlich auch.) Fazit: Telefongespräche im Beisein von Kindern unter 6 sind nur für enge Familienmitglieder, sehr, sehr gute Freunde oder professionelle Mitarbeiter der Telefonseelsorge geeignet.

Auch im Büro sind Telefonate so eine Sache: Möchte man vor den Ohren von drei (männlichen) Bürokollegen der Sprechstundenhilfe erläutern, dass man einen Termin zur Überprüfung der kürzlich erworbenen Spirale benötigt? Auch Worte wie „Krebsvorsorge“, „Menstruationsbeschwerden“ oder „Zwischenblutung“ kommen im Beisein von Kollegen (erschwerend: Softwareentwicklern), nicht ganz flüssig über die Lippen.  Denke ich doch einmal daran und verziehe mich mit dem Handy zwecks Terminabrede aufs Klo, ist garantiert der Anschluss dauerbesetzt – oder die Kollegin kommt herein, vernimmt statt „Krebsvorsorge“ das Wort „Krebssorge“ und das Gerücht ist perfekt. Seit Oktober muss ich jetzt einen Vorsorgetermin vereinbaren und erwäge inzwischen ernsthaft, das Ganze brieflich abzuhandeln. Aus ähnlichen Gründen war ich seit zwei Jahren weder beim Zahnarzt noch zur Fußpflege. Nur der Friseurtermin, der klappt. Da kann ich nämlich samstags anrufen.

Danke, Amazon, dass ich wenigstens meine Wäsche waschen kann.

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