Liebe Vertrieblerinnen und Vertriebler …

Liebe Vertrieblerinnen und Vertriebler im HR-Bereich,

Ihr habt tolle Produkte, tolle Kandidatinnen und Kandidaten und wahrscheinlich insgesamt richtig gutes Zeug.

Ich habe leider nicht immer Zeit für Euren neuesten, heißen Scheiß, der selbstverständlich um Klassen besser ist als alles, was je war. Oder mich gar mit allen, die mit ihrer allerneuesten Krasslösung um die Ecke biegen, „kurz zusammenzusetzen, gern auch mit der Geschäftsführung“. Ja: Vielleicht verpassen wir manchmal etwas. Aber Fomo, „Fear Of Missing Out“, haben wir trotzdem nicht, denn wir haben bereits tolle Dienstleister, mit denen wir zusammenarbeiten. Diese, teils langjährigen, Partnerschaften sind zum großen Teil über hochwertige Vertriebsmaßnahmen zustande gekommen. Nochmals: Vertrieb ist super.

In letzter Zeit habe ich jedoch den Eindruck, dass die Lage an der Formulierfront im Vertrieb etwas heikel geworden ist.

Ein paar Beispiele.

Methode: Doofer Text

Vor Kurzem schrieb mir ein Recruiting-Dienstleister:

„Sehr geehrte Frau Voigt,

(Typowechsel in der Originalmail, klassischer Nebeneffekt von Copy&Paste)

als Problemlöser unterstütze ich (…). Wir betreuen unsere Partner mit einer äußerst hohen (…blablablabla…). In dem Anhang sehen Sie (…) Mein Service beinhaltet: (…Aufzählung…)“

Und dann, übergangslos (!):

„Quiz: Nach einem Junggesellenabschied findet ein Mann ein Geldstück auf dem Fußweg und hebt es auf. Obwohl weder Mond noch Sterne am Himmel waren und auch keine Straßenbeleuchtung an war, hatte er das Geldstück schon von weitem gesehen. Wie ist das möglich?
Viele Grüße,
Ihr XY“

Ein Quiz? JUNGGESELLENABSCHIED? Wenn der Adressat sich fragt, ob er gerade veräppelt wird, ist das sicher keine gelungene Kontaktaufnahme.

Methode: Kein Deal? Kein Schnall!

Besonders freue ich mich immer, wenn ein Sales-Mensch nach erfolglosen Versuchen der Kontaktaufnahme final konstatiert, man lebe offenbar komplett hinter dem Mond. So bekam ich neulich eine Absch(l)uss-Mail mit den Worten:

Hallo Frau Voigt, leider ist bisher kein aktiver Dialog entstanden. Ich gehe daher davon aus, dass zum aktuellen Zeitpunkt das Thema Digitalisierung im HR für Sie nicht relevant ist. (…) Ich freue mich von Ihnen zu hören, sobald Sie sich aktiv mit dem Thema auseinander setzen möchten.

Eine andere Dame schrieb mir:

Ich gehe davon aus, dass Sie sich derzeit nicht mit der Optimierung Ihrer Personalprozesse befassen.

Achso – Digitalisierung ist für uns nicht interessant? Ein sehr, sehr waghalsiger Schluss, und ein bisschen, als würde auf Tinder jemand schreiben: „Kein Date? Ich gehe daher davon aus, dass zum aktuellen Zeitpunkt das Thema „Sex“ für dich nicht interessant ist. Falls sich daran etwas ändert, kannst du dich gern bei mir melden.“

Methode: Vertrauliches Ranwanzen

„Hallo Verena“

(wieder der traditionelle Typowechsel, s.o.)

„ich hoffe das Start-up übliche Du ist in Ordnung.“

Ähm. Also ehrlich: nee. Ich möchte nicht überfallartig von Fremden vertraulich angeduzt werden. Und nichts gegen Start-ups, aber wir zumindest sind seit den späten 90ern keins mehr.

Nach der ersten unaufgeforderten Mail folgen die zweite und dritte Nachricht wenige Tage darauf. Zitat:

„Hallo Verena, ich weiß natürlich, dass Du wenig Zeit hast.“

Schau an, woher das denn nur? Hab ich mal wieder in der U-Bahn im Schlaf geredet? Fremden in der Innenstadt meinen Kalender zum Abfotografieren gegeben? Nicht?

Nach weiteren Monaten kam übrigens eine Mail desselben Absenders, garniert mit der Einleitung, wie hätten ja bereits „Kontakt gehabt“. Ja … das war schön.

Was denn nun?

Das alles klingt wahrscheinlich nun wahnsinnig spaßbefreit. Ein guter Freund von mir, selbst im Vertrieb tätig, fragte mich nach solchen Anekdoten mal: Aber wie soll man es denn nun richtig machen, als Vertriebler?

Die Wahrheit ist: ich weiß es auch nicht genau. Aber ein guter Anfang wäre, (wieder) respektvoller zu kommunizieren. Dazu gehören die saubere Optik einer Mail genauso wie ein stilsicherer, höflicher Umgang mit dem unbekannten Gegenüber. Und zu letzterem zähle ich, mich nicht durch „lustige“ Textbausteine, die Interpretation meiner Interessen oder andere Vertraulichkeiten quälen zu müssen.

error: Geschützter Content, rechte Maustaste ist gesperrt